Der elektronische Rechtsverkehr sowie die Akteneinsicht werden in Zukunft über die zentrale Justizplattform justitia.swiss erfolgen. Rund 30'000 Justizmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie Anwältinnen und Anwälte werden von dieser Umstellung betroffen sein. Die Plattform muss zahlreiche Anforderungen erfüllen, von einer hohen Benutzerfreundlichkeit bis hin zur strikten Sicherheit der Daten. Der Pilotbetrieb von justitia.swiss ist ab 2024 geplant, im Verlauf des Jahres 2025 wird voraussichtlich die Übergangsphase in den Vollbetrieb starten. Das Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) bietet die gesetzliche Grundlage. Der Nationalrat hat an seiner Herbstsession 2023 das Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) mit 133 zu 53 Stimmen angenommen. Als nächstes wird sich der Ständerat mit dem BEKJ im Herbst 2024 auseinandersetzen.
Gemäss dem Entwurf zum Gesetz (E-BEKJ) soll der elektronische Rechtsverkehr für professionelle Anwenderinnen und Anwender, für in Justizverfahren involvierte Verwaltungsbehörden sowie für Justizbehörden obligatorisch werden. Konkret müssen folgende Nutzerinnen und Nutzer ab Inkrafttreten des BEKJ über die Plattform justitia.swiss kommunizieren:
Folgende Personengruppen sind nicht vom Obligatorium betroffen, können die Plattform aber freiwillig nutzen:
Die oben erwähnten Privaten (Personen und Unternehmen) können weiterhin per Post mit Gerichten und Behörden kommunizieren. Die Kommunikation zwischen Verfahrensbeteiligten, zum Beispiel zwischen einer Anwältin und ihrem Klienten oder zwischen Verwaltungsstellen, wird nicht über die Plattform abgewickelt.
Voraussetzung für die Nutzung der Plattform ist ein Eintrag im Adressverzeichnis der Plattform. Der Eintrag ist gekoppelt an eine anerkannte elektronische Identität, die auch zur Authentifizierung der teilnehmenden Personen dient. Welche elektronischen Identitäten durch die Plattform anerkannt werden, muss nach der Ablehnung des E-ID-Gesetzes noch geregelt werden.
In enger Zusammenarbeit mit den Expertengruppen und externen Beratern hat das Projektteam einen Katalog mit Grobanforderungen an die Plattform justitia.swiss erstellt. Darin wird beschrieben, welche Funktionalitäten die Plattform bieten soll und welche organisatorischen Leistungen die Anbieterinnen erbringen müssen. Neben den Vorgaben, die sich aus dem BEKJ ergeben, wurden weitere Kriterien in die Grobanforderungen aufgenommen:
Als Grundtransaktionen der Plattform gelten die Eingabe, die Zustellung und die elektronische Akteneinsicht, welche zwischen einer Justizbehörde (in der Regel in der Rolle der Verfahrensleitung) sowie verfahrensbeteiligten Organisationen/Personen (insbesondere Anwältin/Anwalt) ablaufen. In der Animation wird in vereinfachter Form das Zusammenspiel der einzelnen System-Komponenten dargestellt.
Eine wichtige externe Abhängigkeit der Plattform justitia.swiss stellt der laufende Gesetzgebungsprozess dar, denn der elektronische Rechtsverkehr soll für professionelle Anwenderinnen und Anwender, beispielsweise die Anwaltschaft, Gerichte und Behörden, obligatorisch werden. Um die notwendigen, von der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) im Jahr 2016 beantragten rechtlichen Grundlagen zu schaffen, hat der Bundesrat im Herbst 2020 eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung geschickt. An seiner Sitzung vom 29. Juni 2022 hat der Bundesrat die Ergebnisse der Vernehmlassung zu einem Bundesgesetz über die Kommunikationsplattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) zur Kenntnis genommen und das weitere Vorgehen festgelegt. Am 15. Februar 2023 hat er die Botschaft und den Gesetzesentwurf zuhanden des Parlamentes verabschiedet. Der Nationalrat hat sich als Erstrat mit dem Geschäft während der Herbstsession 2023 auseinandersetzt. Er hat das Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) mit 133 zu 53 Stimmen angenommen. Die Rechtskommission des Ständerats hat die Detailberatung zum Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) im Juni 2024 abgeschlossen und in der Gesamtabstimmung mit 10 zu 1 Stimmen angenommen. Die Kommission hat einige Änderungen am Beschluss des Nationalrats vorgenommen. Das Geschäft wurde in der Herbstsession 2024 im Ständerat behandelt. Aktuell diskutiert die Rechtskommission des Nationalrats die Differenzen, die sich nach der Beratung im Ständerat ergeben haben.
Während der Konzeptphase für die Entwicklung der Plattform justitia.swiss wurden folgende Vorarbeiten durch das Projektteam von Justitia 4.0 geleistet:
Inländische Systeme
Ausländische Systeme
Im Rahmen von kleineren Piloten, sogenannten «Sandboxes» in einzelnen Kantonen resp. einzelnen Gerichten oder Staatsanwaltschaften, wurden die Benutzerfreundlichkeit, die Gesetzeskonformität, die technische Machbarkeit und die administrativen Prozesse der zukünftigen Anwendungen schon zu einem frühen Zeitpunkt getestet. Die Anwendungen hatten zu diesem Zeitpunkt eingeschränkte Funktionalitäten. Die «Sandboxes» trugen wesentlich dazu bei, das Projektrisiko zu minimieren. Bei diesen Tests war der Einbezug der künftigen Benutzerinnen und Benutzer der Plattform von grosser Bedeutung. Sie brachten ihre Erfahrungen und ihr Expertenwissen ein und formulierten ihre Bedürfnisse an die künftige Plattform. Die Erkenntnisse aus den «Sandboxes» sind in die Anforderungen an die Plattform im Hinblick auf deren Entwicklung eingeflossen.
In verschiedenen Fachgruppen definierten Anwältinnen und Anwälte, Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie zahlreiche Mitarbeitende aus den Justizbehörden ihre fachlichen Bedürfnisse an den elektronischen Rechtsverkehr und die Akteneinsicht. Sie beschrieben in sogenannten Use Cases konkrete tägliche Abläufe, wie sie heute in der Papierwelt stattfinden, und leiteten daraus die Bedürfnisse an die Plattform ab. Die Projektleitung hat diese Bedürfnisse analysiert und grösstenteils als Anforderungen an die Plattform für die öffentliche Ausschreibung aufgenommen.
Im Juli 2021 wurde die Ausschreibung einer adaptierbaren Grundversion der Plattform justitia. swiss auf simap.ch publiziert. Hierzu wurde ein selektives, zweistufiges Verfahren praktiziert. Ein zentraler Fokus beim Aufbau der Plattform ist es sicherzustellen, dass die zukünftige öffentlich-rechtliche Betriebsgesellschaft die Steuerung der Weiterentwicklung wie auch des Betriebs in eigener Hand behält. Daher wurden die Entwicklung und der technische Betrieb der Plattform in zwei separaten Losen ausgeschrieben. 2022 wurden die Zuschläge erteilt: Die Firma Zühlke Engineering AG ist für die Entwicklung der Plattform verantwortlich, die Firma ELCA Informatik AG für den technischen Betrieb.