10.11.2020

Der digitale Wandel der Schweizer Justiz gelingt mit überzeugten Menschen

Der Transformation wird im Projekt Justitia 4.0 ein hoher Stellenwert zugemessen.

Das Leben bedeutet ständige Veränderungen, manchmal passieren sie schleichend, manchmal abrupt. Bis vor 25 Jahren schauten wir uns Filme auf einer VHS-Videokassette an, welche dann durch DVDs ersetzt wurden. Heute loggen wir uns auf Streaming-Plattformen ein und brauchen keine Datenträger mehr. Der Ausbruch der Corona-Pandemie konfrontierte uns diesen Frühling mit unmittelbaren Veränderungen, als von einem Tag auf den anderen sämtliche Schulen und viele Läden geschlossen und viele von uns ins Homeoffice geschickt wurden.

Auch die Schweizer Justiz verändert sich laufend, die Schreibmaschine wurde vom PC abgelöst, das Faxgerät ist weitgehend obsolet geworden, weil wir heute Dokumente über sichere Verbindungen per Mail austauschen. Die Digitalisierung  hat bereits Einzug gehalten. Mit dem Projekt Justitia 4.0 stehen die Schweizer Justiz und ihre Mitarbeitenden vor weiteren grossen Veränderungen. Ziel des Projektes ist es, die Papierakten durch elektronische Dossiers zu ersetzen. Die Kommunikation mit der Justiz soll künftig elektronisch über die zentrale Justizplattform Justitia.Swiss erfolgen. Betroffen sind über 15’000 Justizmitarbeitende auf allen föderalen Stufen, sowie rund 12’000 Anwältinnen und Anwälte und deren Kanzleipersonal. Sie müssen ihre Arbeitsweise und -gewohnheiten anpassen. Für einige ist dies ein überfälliger Schritt, andere schauen dem bevorstehenden Wandel mit Skepsis und Sorge entgegen, für dritte ist der Mehrwert auf den ersten Blick nicht augenfällig – sie betrachten Justitia 4.0 als einschränkenden Faktor in ihrem Arbeitsalltag. Dem Projektteam ist es deshalb ganz wichtig, die Menschen, welche vom Projekt Justitia 4.0 betroffen sind, bei dieser Transformation zu begleiten, ihnen die Vorteile und den Nutzen des digitalen Wandels aufzuzeigen und sie bei der Einführung gezielt zu schulen. Dies ist ein für den Erfolg entscheidendes Teilprojekt, das parallel zum Aufbau der Justizplattform und der Entwicklung der eJustizakte und der eJustizakten-Applikation läuft.

 

Spannende Diskussionen in der Arbeitsgruppe «Transformationskonzept»

Die Projektleitung Justitia 4.0 hat im Frühling 2020 der Fachgruppe «Kommunikation & Transformation» den Auftrag erteilt, ein Transformationskonzept zu erarbeiten. Um die nötige fachliche Unterstützung zu erhalten, wurde ein externes Beratungsbüro beigezogen, welches grosse Erfahrung darin hat, Organisationen bei ihrer Transformation zu begleiten. Das externe Beratungsteam moderierte die Workshops der Arbeitsgruppe «Transformationskonzept», welche aus Mitgliedern der Fachgruppe «Kommunikation und Transformation» bestand und begleitete die Erarbeitung des Konzeptentwurfs.

In sechs Workshops setzten sich Vertreterinnen und Vertreter aus Gerichten, Staatsanwaltschaften, Vollzug und Anwaltschaft mit den verschiedenen Kapiteln des Konzeptes auseinander, reflektierten die ausgearbeiteten Vorschläge und entwickelten sie weiter. Dabei wurde intensiv diskutiert, spannende Einblicke in die Denkweisen und Organisationskulturen gewährt, oft um einzelne Formulierungen gerungen und Kapitel umgestellt, bis nach einem letzten Feinschliff das Konzept Ende September für den Review durch die gesamte Fachgruppe «Kommunikation und Transformation» bereit stand. Der Einbezug von Mitarbeitenden aus den verschiedenen Stammorganisationen war entscheidend für den Erfolg, denn deren Voraussetzungen und Bedürfnisse an die Transformation unterscheiden sich zum Teil massiv.

 

Für eine sichere digitale Justiz – damit der Weg zum Recht nicht mehr über Papierberge führt

Die Vision einer papierlosen, sicheren digitalen Justiz wurde im Transformationskonzept weiter geschärft. Vom Projekt betroffen sind die Gerichte, Staatsanwaltschaften, Justizdirektionen, Justizvollzugsbehörden sowie Anwaltschaft und zwar sowohl auf den Führungsstufen als auch auf Stufe der Mitarbeitenden. Diesen Stakeholdergruppen sollen insbesondere der Nutzen der Digitalisierung der Justiz vor Augen geführt werden sowie die Vorteile im Arbeitsalltag: Die elektronische Aktenführung erlaubt es, jederzeit ortsunabhängig durch mehrere Personen gleichzeitig auf die elektronischen Akten zuzugreifen. Die Zusammenarbeit und die Koordination vereinfacht sich, der administrative Aufwand reduziert sich. Um die vom Projekt Betroffenen in dieser Transformation zu begleiten, ist ein Strauss von digitalen und analogen Massnahmen vorgesehen, die ab 2021 umgesetzt werden. Vorgesehen ist, in einem ersten Schritt die für eine erfolgreiche Transformation in ihren Organisationen entscheidenden Führungspersonen für das Projekt zu gewinnen. Denn es ist klar, dass das Projektteam Justitia 4.0 nicht die Kapazitäten und Möglichkeiten hat, die Transformation innerhalb der einzelnen Justizorganisationen von aussen voranzutreiben. Um den Fortschritt der digitalen Transformation der Justiz zu beurteilen, soll mit einem langfristigen Changebarometer der Puls gefühlt werden, damit frühzeitig allfällige weitere Massnahmen ergriffen werden können.

Lukas Huber, stellvertretender Generalsekretär des Obergerichtes Zürich, welcher den Lead der Fachgruppe «Kommunikation und Transformation» innehat, ist überzeugt, dass «wir mit dem Transformationskonzept eine solide Grundlage erarbeitet haben, um die Führungskräfte und die künftigen Nutzerinnen und Nutzer im digitalen Wandel ihrer Organisationen zu begleiten und zu unterstützen. Die neu entwickelten IT-Systeme und Applikationen können noch so gut sein, entscheidend für den Erfolg des Projektes wird sein, dass die künftigen Nutzerinnen und Nutzer die Vorteile einer digitalisierten Justiz erkennen, diese mittragen und mit Überzeugung aktiv an der Umsetzung mitwirken.»

Das Konzept durchläuft im Herbst 2020 die Reviewphase und soll im Laufe des Winters durch den Projekt- und Steuerungsausschuss verabschiedet werden. Die konkrete Erarbeitung und Umsetzung der einzelnen Massnahmen läuft ab Frühling 2021.

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