Foto: Emeric Caron
Bereits in der frühen Planungsphase für die Pilotierung der Plattform justitia.swiss war gemäss Rémi Fillet klar, dass ein Projekt dieser Grössenordnung klare Strukturen und eine präzise Vorgehensweise erfordert: «Der erste Schritt bestand in der Ausarbeitung eines Projektauftrags, um den Umfang zu definieren und die Vorgehensweise für die Pilotierung festzulegen.»
Im Rahmen des Projektauftrags wurden alle beteiligten Parteien – vom Zivilgericht über die IT-Abteilungen bis hin zu externen Partnern – aufeinander abgestimmt. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass bis zum Inkrafttreten des BEKJ die Akten im Rahmen des Pilotprojekts sowohl in Papierform als auch elektronisch geführt werden müssen.
Ausserdem bezog das Projektteam rasch das Zivilgericht mit ein, welches als geeignete Gerichtsbarkeit für die ersten Tests identifiziert worden war. «Wir haben die Anwendungsfälle auf Basis der Grundversion der Plattform justitia.swiss und ihrer Funktionalitäten entwickelt und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer festgelegt", erläutert Rémi Fillet. Drei Kammern des erstinstanzlichen Gerichts meldeten sich freiwillig, um am Pilotprojekt teilzunehmen.
Gleichzeitig bereitete das Projektteam eJustiz-Akte in Zusammenarbeit mit dem kantonalen Amt für Informationssysteme und Digitalisierung (OCSIN) die Integration des von der Justiz verwendeten Identitätsmanagers vor. Die Analyse- und Konzeptarbeiten wurden zügig in Angriff genommen, mit dem Ziel, dass sich die Genfer Nutzerinnen und Nutzer einfach und sicher mit ihren bestehenden Benutzerkennungen anmelden können.
Im Rahmen des Projekts eJustiz-Akte haben die Analysten und Fachexperten des Projektteams die aktuellen Arbeitsabläufe aufgezeichnet, die in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten der Judikative angewandt werden. Für das Pilotprojekt erarbeiteten sie einen Vorschlag für die Organisation der Arbeit mit der Plattform justitia.swiss, basierend auf ihrem Wissen, auf ihrer Funktionsweise und auf den derzeit im Pilotgericht angewandten Arbeitsprozessen.
Das Projektteam verfeinerte diese Arbeitsprozesse dann mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Piloten. Diese Prozesse wurden in einem speziellen Dokument für die Pilotierung formalisiert. Das Organisationskonzept wurde gemäss der Projektmanagementmethode Hermes definiert. Je nach den Erfahrungen, die während des Pilotprojekts gesammelt werden, können diese Prozesse im Laufe der Zeit angepasst werden.
Vor dem Start des Pilotprojekts haben sich das Projektteam, das Pilotgericht und die beteiligten Anwältinnen und Anwälte darauf geeinigt, die Dokumente sowohl digital via die Plattform justitia.swiss als auch in Papierform auszutauschen. Nach den ersten Eingaben und Zustellungen über die Plattform kann jedoch ausschliesslich digital kommuniziert werden. Das vollständige Dossier steht weiterhin in Papierform zur Verfügung. Schliesslich umfasst die Pilotorganisation auch die Unterstützung der Beteiligten des Gerichts und der Anwältinnen und Anwälte, die am Pilotprojekt teilnehmen.
Von Anfang an spielte die enge Kooperation mit Justitia 4.0 laut Rémi Fillet eine entscheidende Rolle. Das nationale Projektteam unterstützte die Genfer Justizbehörde in verschiedenen Aktionsfeldern: von der benötigten technischen Dokumentation bis hin zur Vorbereitung des Bewilligungsgesuchs beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). «Justitia 4.0 hat einen Leitfaden erstellt, der die Vorgehensweise bei der Erstellung des Bewilligungsgesuchs beim Bundesamt für Justiz durch die Pilotkantone präzisiert und hat die notwendigen technischen Dokumentationen bereitgestellt», erklärt Rémi Fillet. Auch bei der Informationssicherheit und dem Datenschutz habe man eng zusammengearbeitet: «Die Sicherheit der Plattform ist ein zentraler Aspekt. Aus diesem Grund lieferte uns das Projekt Justitia 4.0 die Ergebnisse von Analysen und Audits sowie alle erforderlichen Unterlagen, die es dem IT-Projektteam ermöglichten, seine Risikoanalyse in Bezug auf die Informationssicherheit und den Datenschutz durchzuführen. Die Überprüfung dieser Elemente hat die bereits vom Team Justitia 4.0 durchgeführten Analysen bereichert.»
Um den laufenden Fortschritt und die vereinbarten Massnahmen zu überprüfen, wird auf operativer Ebene eine wöchentliche Sitzung durchgeführt, an der neben dem Projektleiter Rémi Fillet sein Pendant im nationalen Projektteam teilnimmt. Die Bestimmung einer zentralen Ansprechperson, welche die Fragen des Genfer Projektteams aufnimmt, hat die Effizienz der Zusammenarbeit deutlich gesteigert.
«Die Vorbereitungszeit sollte nicht unterschätzt werden, insbesondere aufgrund der Vielzahl der beteiligten Akteure. Deshalb frühzeitig Kontakt aufnehmen mit dem Projektteam Justitia 4.0 und dadurch von den Erfahrungen der anderen Pilotkantone profitieren.»
Wie Rémi Fillet ausführt, verfolgt die Teststrategie zur Pilotierung der Plattform zwei zentrale Ziele: Einerseits soll überprüft werden, dass die Plattform die Hauptanforderungen der Genfer Justizbehörde erfüllt. Andererseits soll die Kohärenz zwischen der Plattform und den vorgesehenen Arbeitsprozessen überprüft werden.
Die Teststrategie wurde gemäss Fillet in einem zweistufigen Ansatz umgesetzt. Zunächst testete das IT-Team anschliessend die Teilnehmenden des Pilotgerichts die Plattform auf der Test-Umgebung.
In der ersten Phase führte das Projektteam freie und geleitete Tests durch und überprüfte damit die Ergebnisse der vom Projekt Justitia 4.0 durchgeführten Tests. Nachdem das Projektteam die Abweichungen vom Anforderungskatalog der Genfer Justizbehörden überarbeitet hatte, gab es seine Zustimmung zum Start der fachlichen Tests mit den Teilnehmenden des Pilotgerichts.
In der zweiten Phase führten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Pilotgerichts Tests auf der Grundlage von Szenarien durch, die vom Projektteam bereitgestellt wurden. Nach der Überprüfung der Ergebnisse gab das Pilotgericht grünes Licht für die Nutzung der Plattform mit realen Verfahren und leitete damit die Pilotphase ein.
Neben der technischen Vorbereitung des Projekts bildete auch die Begleitung der Menschen, die mit der neuen Plattform arbeiten, einen zentralen Aspekt der Arbeit des Genfer Projektteams. «Wir haben zunächst eine Schulung durchgeführt, um die Plattform zu verstehen und um sie optimal nutzen zu können. Eine zusätzliche Schulung gab es zur Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur», erklärt Rémi Fillet. Ergänzt wurden diese Massnahmen durch Benutzerhandbücher und praktische Anleitungen des Genfer IT-Teams, die zusammen mit dem Pilotgericht erarbeitet wurden. Zusätzlich wurde ein Support-System für die Nutzerinnen und Nutzer eingeführt, bei dem das Genfer Projektteam als erster Ansprechpartner fungiert, um die Fragen der Teilnehmenden möglichst gut und schnell zu beantworten.
Ein besonderes Augenmerk legte das Projektteam auch auf die Unterstützung der beteiligten Anwältinnen und Anwälte. Die Genfer Justizleitung verschickte via die Genfer Anwaltskammer allen angeschlossenen Anwältinnen und Anwälten eine Mitteilung, in welcher das Pilotprojekt vorgestellt wurde. Darüber hinaus erstellte das Projektteam ein Nutzerhandbuch, das den Anwältinnen und Anwälten die notwendigen Informationen insbesondere zu folgenden Themen gibt: Nutzung der Plattform, kantonaler Identitätsmanager (IDP) und die qualifizierte elektronische Signatur. Schliesslich richtete das Projektteam eine Support-Organisation ein, um die Anfragen der Anwältinnen und Anwälte zu beantworten.
Trotz der sorgfältigen Planung gab es in der Vorbereitungsphase einige Herausforderungen zu meistern. Besonders die Integration des Identitätsmanagers hat sich gemäss Rémi Fillet als besonders komplex erwiesen: «Die grössten Herausforderungen betrafen die Vielzahl der beteiligten Akteure (Justizleitung Genf, OCSIN, Justitia 4.0, Zühlke als Entwickler der Plattform), die technische Komplexität sowie die hohe Sensibilität in Bezug auf die Sicherheit.» Durch die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten und die direkte Kommunikation sei dabei ein möglichst effizientes Vorankommen sichergestellt worden.
Auch die Erstellung des Bewilligungsgesuchs an das EJPD sei anspruchsvoll gewesen: «Das Fehlen von Erfahrungswerten bei der Erstellung eines solchen Gesuchs erforderte einen erheblichen Aufwand seitens des Genfer und des Projektteams von Justitia 4.0, um die bereitzustellenden Informationen zu identifizieren und das Bewilligungsgesuch auszuarbeiten». Dank der Unterstützung von Justitia 4.0 habe die Anfrage jedoch termingerecht eingereicht werden können.
Auch im Zusammenhang mit einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Zivilgericht und den teilnehmenden Anwältinnen und Anwälten seien Herausforderungen aufgetreten: «Die Komplexität lag hier in der Identifizierung und detaillierten Beschreibung der Kollaborationsmodalitäten im Rahmen des Piloten, um klare und optimale Prozesse zu gewährleisten.»
Für andere Kantone, die sich auf die Pilotierung der Plattform justitia.swiss vorbereiten, hat Rémi Fillet einen klaren Rat: «Die Vorbereitungszeit sollte nicht unterschätzt werden, insbesondere aufgrund der Vielzahl der beteiligten Akteure.» Sein Tipp: Frühzeitig Kontakt mit dem Projektteam von Justitia 4.0 aufnehmen und dadurch von den Erfahrungen der ersten Pilotkantone profitieren.
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