Das Projekt Justitia 4.0 hat zum Ziel, die für den Übergang zu einer digitalen Justiz erforderlichen Elemente bereitzustellen und umzusetzen. Zurzeit befindet sich das Projekt in der Konzeptphase. Darauf folgt die Realisierungsphase und danach die Inbetriebnahme. Erst ab diesem Zeitpunkt wird die schweizerische Justiz vollumfänglich elektronisch funktionieren.
Die im Rahmen des Projekts Justitia 4.0 vorgesehene digitale Justiz wird durch die Inbetriebnahme verschiedener ergänzender und untereinander kommunizierender Elemente verwirklicht werden:
Im aktuellen Kontext einer Pandemie ist die Ausweitung der Telearbeit eine der Hauptmassnahmen. Dies setzt voraus, dass alle Mitglieder und alle betroffenen Mitarbeitenden der Gerichte und Staatsanwaltschaften namentlich über folgende Instrumente verfügen:
Im Verlauf von straf-, zivil- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellt die Online-Arbeit jedoch nur einen Teil der Aktivitäten dar. Zum Beispiel sind Einvernahmen zum Zwecke der Beweisaufnahme (Einvernahme der Parteien, Zeugen, Gutachter usw.) und Beratungen ebenso wichtig. Wenn diese Einvernahmen unter Einhaltung der geltenden Abstandsvorschriften nicht in einem Saal durchgeführt werden können, können sie auch als Videokonferenz erfolgen. Damit sie rechtswirksam sind, ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich: Diese ist für strafrechtliche Verfahren gegeben (siehe zum Beispiel Art. 144 StPO – Einvernahme mittels Videokonferenz) und sie wurde vor Kurzem für zivilrechtliche Verfahren dringlich verabschiedet (COVID-19-Verordnung Justiz und Verfahrensrecht vom 16. April 2020, SR 272.81).
Die oben aufgeführten technischen Mittel müssen soweit als möglich vor dem Beginn der Online-Aktivitäten bereit stehen und bedingen eine angemessene Schulung. Darüber hinaus muss die oft eingeschränkte Verfügbarkeit von Personen, die entweder aufgrund der Pandemie erkrankt sind oder die Angehörige (Kinder oder isolierte ältere Personen) betreuen müssen, mitberücksichtigt werden.
Auch wenn das Projekt Justitia 4.0 schon abgeschlossen wäre, würde es nur einen Teil der Bedürfnisse abdecken (siehe nachfolgende Übersicht):
Bedürfnisse | Justitia 4.0 | Bemerkungen |
Informatikmittel für Telearbeit | nein | Durch die Justizbehörden der Kantone oder des Bundes bereitzustellen |
Elektronische Identität | Ja (Zugriff auf die Plattform mittels anerkannter elektronischer Authentifizierung) | Elektronische Identifizierung entsprechend der neuen, durch den Bund definierte elektronischen Identität, die durch die Justizbehörden der Kantone oder des Bundes bereitzustellen ist |
Internet-Zugang | nein | Individuell oder durch die Justizbehörden der Kantone oder des Bundes zu organisieren |
vollständig elektronische Akten | Ja (Grobstruktur der Akten und Anwendung ohne Integration) | Digitalisierung der in Papierform eingereichten Dokumente durch die Justizbehörden der Kantone zu organisieren und Integration der eJustizakte durch die gleichen Behörden umzusetzen |
Zugriffsrechte auf juristische Datenbanken | nein | Abonnemente durch die Justizbehörden der Kantone abzuschliessen |
Verschlüsselte elektronische Kommunikation zwischen den Justizbehörden und Verfahrensbeteiligten | Ja (Plattform «Justitia.Swiss» und «Download-/Upload»-Funktionen (eJustizakte Applikation) | |
Gesetzliche Grundlagen für Videokonferenzen | nein | Gesetzgeber des Kantons oder des Bundes |
Videokonferenz-Tools | nein | Im Rahmen des HIS-Programms erarbeitete Empfehlungen und Tools durch die Justizbehörden der Kantone und des Bundes bereitzustellen. |
Abschliessend wird festgestellt, dass die Grundelemente im Rahmen des Projekts erarbeitet werden und dass ein Grossteil der Umsetzung den Justizbehörden der Kantone und des Bundes obliegt. Die Umsetzung des Projekts Justitia 4.0 wird den Justizbehörden den Übergang von einer normalen zu einer Krisenorganisation mit Telearbeit deutlich erleichtern.
Jacques Bühler, Stv. Generalsekretär Bundesgericht, Co-Projektleiter Justitia 4.0