Zurück zur Übersicht
07.11.2024
Basel-Landschaft

Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft in der Vorbereitung auf die Pilotierung

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft hat sich früh für die Pilotierung der Plattform justitia.swiss entschieden. Das Projektteam, welches die Digitalisierung vorantreibt, besteht aus sechs Personen – dem Projektleiter, einem Business Analysten, der Kommunikationsverantwortlichen, einem IT-Spezialisten, einer juristischen Mitarbeiterin und der Ersten Staatsanwältin. Betroffen von der Digitalisierung sind rund 180 Personen, welche in verschiedenen Funktionen für die Staatsanwaltschaft arbeiten. Das Projekt wird gemäss der Projektmethode Hermes abgewickelt, wo dies nützlich ist. Zugleich werden aber auch agile Methoden wie Kanban angewendet, um die Vorbereitungsarbeiten voranzubringen und zu visualisieren.  Im Gespräch erläutert der zuständige Projektleiter Daniel Stehlin, Leiter Zentrale Dienste, wie die Vorbereitungen verlaufen sind, welche Themen es zu bearbeiten galt und wo die Herausforderungen liegen.

J4.0: Welche Geschäftsfälle werden pilotiert?

DS: Wir wollen die Plattform justitia.swiss möglichst umfassend testen. Daher werden wir den elektronischen Rechtsverkehr einerseits mit ausgewählten Anwältinnen und Anwälten pilotieren. D.h., die Staatsanwaltschaft nimmt von den Parteivertretungen Eingaben entgegen, stellt ihnen rechtlich relevante Dokumente zu und gewährt ihnen Akteneinsicht. Andererseits möchten wir auch den elektronischen Rechtsverkehr zwischen zwei Behörden testen, konkret zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Zwangsmassnahmengericht. Hier beginnen wir mit einzelnen Anwendungsfällen und weiten diese dann schrittweise aus. Gerade bei diesem Test wird deutlich, dass der elektronische Rechtsverkehr schon in der Pilotphase zu einem Mehrwert führt, denn Verfahren am Zwangsmassnahmengericht sind meistens zeitkritisch. Das Gesetz setzt für gewisse Eingaben enge Fristen und Anträge müssen teilweise auch am Wochenende gestellt werden. Beide Aspekte werden mit der elektronischen Übermittlung von Aktenstücken vereinfacht. Es braucht keine Einschreibebriefe mehr und auch die physische Übermittlung von Akten fällt weg, was unsere Arbeit, aber auch jene des Zwangsmassnahmengerichts ausserhalb der Bürozeiten erleichtert.

J4.0: Warum habt Ihr Euch für eine Pilotierung entschieden und welches sind die Ziele des Piloten?

DS: Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft ist seit Beginn des nationalen Projekts Justitia 4.0 2018 mit mehreren Personen in verschiedenen Gremien des Projekts vertreten. Es ist für uns eine Herzensangelegenheit, einen Beitrag zum Gelingen des Projekts beizutragen. Daneben wollen wir auch Erfahrungen in der Anwendung der Plattform sammeln und herausfinden, wie sich diese in unsere Systemumgebung integrieren lässt. Wir wollen frühzeitig unsere internen Arbeitsprozesse anschauen, diese an die digitale Arbeitsweise anpassen und unsere internen Arbeitsbeschriebe entsprechend überarbeiten.

J4.0: Wie sieht der Zeitplan für die Pilotierung aus?

DS: Ende 2023 haben wir uns erste Gedanken über den Umfang des Piloten gemacht und uns überlegt, welche Geschäftsfälle wir pilotieren möchten. Wir haben dann im Namen der Kantonsregierung und der Gerichte ein Gesuch um Bewilligung der Pilotierung der Plattform justitia.swiss ans Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) gerichtet. Der Regierungsrat hat dieses am 18. April 2024 freigegeben. Das grüne Licht vom EJPD haben wir dann Ende Juni 2024 erhalten. Wir möchten spätestens Anfang 2025 mit der Pilotierung starten.

J4.0: Wer ist in der Staatsanwaltschaft am Piloten beteiligt?

DS: Bei uns in der Staatsanwaltschaft sind es insbesondere die Kanzleimitarbeitenden, denn sie müssen die digitalen Dateien, die sie von der Verfahrensleitung erhalten, über die Plattform verschicken und Eingaben von Verfahrensbeteiligten auf demselben Weg in Empfang nehmen. Obwohl die Pilotierung einen Mehraufwand für die Kanzleien bedeutet, merken wir, dass sie offen für die Pilotierung sind. Dies liegt sicher auch daran, dass wir bereits heute relativ digital unterwegs sind. So verfügen wir über leistungsfähige Multifunktionsgeräte und arbeiten in Anklagefällen schon seit vielen Jahren mit elektronischen Aktendoppeln, die wir mit Lesezeichen versehen.

J4.0: Welche Arbeiten standen bei der Vorbereitung des Piloten im Fokus?

DS: Wir mussten uns mit Fragen rund um den Datenschutz und die Informationssicherheit auseinandersetzen, da Daten aus Strafverfahren immer besonders schützenswerte Daten sind. Dafür haben wir auch die Aufsichtsstelle Datenschutz des Kanton Basel-Landschaft ins Boot geholt, welche viele Fragen hatte. Sie betrafen primär die Informationssicherheit. Die Mitarbeitenden der Aufsichtsstelle Datenschutz gaben uns aber auch wesentliche Richtlinien für die Vereinbarungen, welche wir einerseits mit dem Projekt Justitia 4.0 und andererseits mit den beteiligten Anwältinnen und Anwälten abschliessen werden. Schlussendlich können wir mit der Pilotierung erst starten, wenn die Aufsichtsstelle ihr grünes Licht gibt.

J4.0: Solange das BEKJ nicht in Kraft ist, braucht es eine digitale Signatur. Wie sieht die Lösung bei der Stawa aus?

DS: Der Kanton Basel-Landschaft hat bereits heute eine qualifizierte elektronische Signatur im Einsatz. So erhielten bereits jetzt alle Staatsanwältinnen und Staatsanwälte eine digitale Signatur.

J4.0: Mitarbeitende, welche mit der Plattform arbeiten, müssen sich identifizieren. Welche Lösung wurde gefunden?

DS: Wir streben nach wie vor an, unser Active Directory einzubinden. Das bedeutet, dass die Anmeldedaten stets aktuell sind und sich die Mitarbeitenden nur einmal anmelden müssen, wenn sie sich in unser System einloggen. Eine zusätzliche Anmeldung auf der Plattform wäre somit nicht mehr nötig.

J4.0: Am Piloten werden auch Anwältinnen und Anwälte beteiligt sein. Wie finden Sie diese?

DS: In einem ersten Schritt möchten wir den Kreis der Teilnehmenden überschaubar halten. Wir kontaktierten daher den Anwaltsverband des Kantons Basel-Landschaft, welcher in einem Aufruf Mitglieder suchte, die sich für die Pilotierung interessieren. So fanden wir rund 40 Anwältinnen und Anwälte. 
Wir werden den beteiligten Anwältinnen und Anwälten eine Zusammenstellung aller Rechtsgrundlagen und «Spielregeln» der Pilotphase abgeben, sie schulen, damit sie sich schnell mit dem neuen Arbeitsinstrument zurechtfinden und sie bei Fragen unterstützen. Uns ist es sehr wichtig, dass Anwältinnen und Anwälte, welche sich jetzt als Vorreiter (early adopters) zur Verfügung stellen, keine Nachteile haben, wenn etwas nicht funktioniert. Sie werden dann z.B. über alternative Kanäle ihre Eingaben machen können, so dass sie keine Bedenken wegen der Fristeinhaltung haben müssen.

J4.0: Wo liegen die Herausforderungen?

DS: Eine der Herausforderungen ist, dass wir heute einen ersten Schritt in Richtung des elektronischen Rechtsverkehrs und der digitalen Aktenführung machen. Da die Systeme aber noch nicht alle vorhanden, bzw. nicht integriert sind, können wir noch nicht so arbeiten, wie das für später angedacht ist. So kann etwa unsere Fachapplikation Tribuna in ihrer heutigen Version noch nicht mit der Plattform kommunizieren, was bedeutet, dass wir die Verfahren auf der Plattform nochmals anlegen müssen. Wir werden deswegen aber die Pilotierung nicht stoppen, sondern im Gegenteil wollen wir sie Schritt für Schritt ausbauen und dann nahtlos in den regulären Betrieb übergehen, wenn das BEKJ in Kraft tritt. 
Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit den beteiligten Behörden im Kanton, denn bei uns ist der Kanton für die IT-Basisdienste zuständig. Die Zentrale Informatik ist somit bei der Integration unserer Systeme eine wichtige Partnerin.

J4.0: Was haben Sie bei den Vorbereitungsarbeiten unterschätzt?

DS: Das Thema Datenschutz haben wir unterschätzt. Weil das BEKJ mit seinen Datenschutzbestimmungen noch nicht in Kraft ist, bildet die Verordnung über die elektronische Übermittlung im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen sowie von Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren (VeÜ-ZSSV) die gesetzliche Grundlage für den Pilotbetrieb. Und darin sind keine Datenschutzbestimmungen enthalten. Ich empfehle deshalb, die zuständige Datenschutzstelle frühzeitig einzubeziehen, damit eine datenschutzrechtliche Vorabkonsultation stattfinden kann.
Zudem war uns auch nicht bewusst, dass wir aufgrund der noch fehlenden Interoperabilität der Systeme Daten an verschiedenen Orten pflegen und unsere Akten hybrid führen müssen. Aufgrund der noch fehlenden Schnittstellen müssen wir gewisse Daten vorläufig auch mehrfach eingeben. Das verkompliziert die Abläufe und führt zu einem Mehraufwand.

J4.0: Was motiviert Sie als Projektleiter?

DS: Ich habe seit Beginn des nationalen Projekts in der Fachgruppe der Staatsanwaltschaften mitgearbeitet. Über all die Jahre haben wir Grundlagen erarbeitet, diskutiert, überlegt. Jetzt wird es konkret, ich sehe die Resultate all dieser Arbeiten der vergangenen Jahre. Die Vorarbeit zahlt sich jetzt aus, das Projekt kommt zum Fliegen.

Zurück zur Übersicht